Umweltinformationen für Bauprodukte, Bauwerke und Unternehmen

Einordnung für die Betonfertigteilindustrie

Durch die Ausweitung gesellschaftspolitischer Fragestellungen, wie Klima- und Ressourcenschutz, Nachhaltigkeit und Transparenz in der Lieferkette, sind die Anforderungen an die Hersteller von Baustoffen und Bauteilen gestiegen: Sie müssen mehr denn je auf die ökologische Qualität ihrer Produkte achten, deren Wirkung auf die Umwelt ermitteln, die erforderlichen Informationen kommunizieren und das eigene Unternehmen an den neuen Fragestellungen ausrichten.

Nachfolgend werden einige für den (Beton-)Baubereich relevante Management- und Zertifizierungssysteme sowie mögliche Kennzeichnungen (Siegel) beschrieben. Dies soll Unternehmen eine Hilfestellung bei der Wahl eines für ihre Zielsetzung geeigneten Systems geben. Dabei kann es je nach Unternehmensspezifika andere – hier nicht genannte – Möglichkeiten geben. 

Vor dem Hintergrund des erheblichen arbeitstechnischen und finanziellen Aufwands für Datenerhebung, Bilanzierung und Zertifizierung sollte das gewählte System inkl. Kennzeichnung einen möglichst großen Mehrwert für die Unternehmen generieren. In jedem Fall, das heißt unabhängig von der angestrebten Zertifizierung, führt die vertiefte Beschäftigung mit den Umweltwirkungen von Unternehmen und Produkten zu einer Sensibilisierung für die eigenen Prozesse. Zum Beispiel können

  • Kenntnisse über die eigenen Produkte und Produktionsprozesse vergrößert,
  • Kosten eingespart werden durch 
    • effizientere Nutzung von Materialien und Energie,
    • effizientere Produktionsverfahren,
    • verringertes Abfallaufkommen,
  • Innovationen initiiert und
  • Umweltauswirkungen reduziert werden.

Dieser Text ist die Zusammenfassung des ausführlicheren Fachbeitrag “Umweltinformationen für Bauprodukte, Bauwerke und Unternehmen - Einordnung für die Betonfertigteilindustrie” der beiden Autorinnen, Alice Becke (Fachvereinigung Deutscher Betonfertigteilbau e.V.) und Diana Krüger (Bayerischer Industrieverband Baustoffe, Steine und Erden e.V.). 

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Ökobilanzierung

Als Grundlage für verschiedene Umweltzertifizierungen und -Kennzeichnungen dienen Ökobilanzen (engl.: Life Cycle Assessment, LCA). Mit ihnen werden die potenziellen Wirkungen eines Produkts auf den Menschen und die Umwelt abgeschätzt. Bei der Ökobilanzierung wird erfasst, welche Rohstoffe und welche Menge jedes Rohstoffs eingesetzt werden, wie viel Energie verbraucht wird und wie viele und welche Abfälle und Emissionen in Luft und Wasser entstehen. Dies erfolgt über den gesamten Lebenszyklus von der Gewinnung und Herstellung der Ausgangsstoffe, über die Fertigung, den Transport, ggf. den Einbau in ein Bauwerk und die anschließende Nutzungsphase bis zu den Recyclingmöglichkeiten und Entsorgungsszenarien am Ende des Produktlebensweges.

Energie- und Umweltmanagementsysteme

Umwelt- und Energiemanagementsysteme dienen dazu, alle Abläufe und Zuständigkeiten in einem Unternehmen so zu organisieren, dass die eigenen und die gesellschaftlichen Ansprüche an ein umweltverträgliches und energieeffizientes Handeln sichergestellt sind, Chancen und Risiken frühzeitig erkannt und rechtliche Anforderungen erfüllt werden. 

Die bekanntesten Umweltmanagementsysteme sind die DIN EN ISO 14001 und die Europäische Umweltmanagement-Verordnung EMAS. Die Anforderungen und Leitlinien für die Einrichtung, Umsetzung, Aufrechterhaltung und Verbesserung eines Energiemanagementsystems sind in DIN EN ISO 50001 festgelegt. 

Zertifizierte Energiemanagementsysteme sind zum Beispiel auch Voraussetzung für die Begrenzung der EEG-Umlage oder Grundlage für die Erfüllung der Pflichten nach dem Energiedienstleistungsgesetz.

Umweltproduktdeklarationen

Umweltproduktdeklarationen (EPD engl.: European Product Declaration) enthalten alle Ergebnisse aus einer Ökobilanzierung und ggf.  darüberhinausgehende für den jeweiligen Produktbereich relevante Informationen. 

Der wichtigste Schritt, um von einer Ökobilanz zu einer Umweltproduktdeklaration zu kommen, ist die Prüfung durch einen unabhängigen Dritten. Diese Verifizierung und weitere organisatorische Vorgaben werden von sogenannten EPD-Programmhaltern verwaltet. Diese vergeben dann ein EPD-Zeichen und veröffentlichen die Deklarationen. Als normative Grundlage für die Erstellung von EPDs hat sich im Europäischen Normenwerk für den Bausektor die DIN EN 15804 etabliert.

Mit einer EPD werden umfangreiche verifizierte Umweltinformationen nach einem einheitlichen Standard bereitgestellt. Dabei werden die Informationen nicht bewertet, womit das Vorhandensein einer EPD nichts über die “Umwelt- oder Klimafreundlichkeit” eines Produktes aussagt. Gerade bei Bauprodukten können die Umwelteigenschaften nur im (Gebäude-)Kontext beurteilt werden und eigenen sich deshalb nur bedingt zum direkten Produktvergleich.

CO2-Fußabdruck

Im Gegensatz zur Ökobilanzierung beziehen sich die sogenannten Footprints in der Regel nur auf eine ausgewählte Wirkungskategorie. Sie liefern nur eine einzelne Kennzahl, wie z. B. das Treibhauspotenzial beim CO2-Fußabdruck.

Für die Bekämpfung des Klimawandels sind die Ermittlung und die Reduzierung der verursachten Treibhausgasemissionen entscheidende Schlüsselfaktoren. Daher wird oft besonderes Augenmerk auf den CO2-Fußabdruck gelegt. Man beschränkt sich bei seiner Berechnung ausschließlich auf die Emissionen, die sich tatsächlich auf den Klimawandel auswirken. Über andere Umweltwirkungen werden keine Aussagen getroffen. 

Der CO2-Fußabdruck kann unternehmensspezifisch als „Corporate Carbon Footprint“ (CCF) oder produktbezogen als „Product Carbon Footprint“ (PCF) erstellt werden. Für die Berechnung des jeweiligen Fußabdruckes existieren verschiedene Berechnungsmethoden, wie z. B.  der DIN EN ISO 14064-1 oder dem Greenhouse Gas Protocol (GHG) Corporate Standard.  Je nach Berechnungsverfahren können für dasselbe Produkt unterschiedliche Werte für die CO2-Emission ermittelt werden, was die Vergleichbarkeit generell erschwert. 

Trotz der Unterschiede bei den Normen kann das übergeordnete Ziel, die Emissionen zu erfassen und anschließend zu analysieren, mit jeder Norm erreicht werden. Auf dieser Basis lassen sich Einsparpotenziale identifizieren und geeignete Emissionseinsparmaßnahmen ergreifen.

Soll der CO2-Fußabdruck über eine entsprechende Kennzeichnung kommuniziert werden, ist in der Regel zusätzlich eine externe Zertifizierung erforderlich.

CSC-Zertifizierung

Ziel der Zertifizierung des Concrete Sustainable Councils (CSC) ist der Nachweis einer verantwortungsvollen Betonherstellung entlang der Lieferkette sowie die kontinuierliche Steigerung im nachhaltigen Wirtschaften der Zement-, Gesteinskörnungs- und Betonindustrie. Zertifizierte Unternehmen schaffen damit Transparenz über ihren Herstellungsprozess und dessen Wertschöpfungskette sowie die Auswirkungen ihrer Produkte und Prozesse auf das soziale und ökologische Umfeld. 

Eine CSC-Zertifizierung können Betonhersteller und Unternehmen entlang deren Lieferkette erwerben (im Detail: Steinbrüche, Zementwerke, Zementmahlwerke, Betonwerke, Betonfertigteilwerke mit und ohne eigene Betonproduktion). Für Betonwerke hat die Zertifizierung der Vorkette einen wesentlichen Einfluss auf das Zertifizierungsergebnis. 

Erreichbar sind vier Zertifizierungsstufen: Bronze, Silber, Gold und Platin. Entsprechend der gewünschten Zertifizierungsstufe steigen die Anforderungen an Bewertungskriterien und Mindestanforderungen, die erfüllt werden müssen.

Der Wert eines CSC-Zertifikates für ein Unternehmen ergibt sich insbesondere aus der Anerkennung bei der Nachhaltigkeitsbewertung von Gebäuden, zum Beispiel DGNB, BREEAM, LEED.

www.csc-zertifizierung.de 

Sustainable Precast-Zertifizierung

Das Sustainable Precast-System (SPC) wird seit Januar 2024 als Zertifizierungssystem für die Betonfertigteilindustrie angeboten. 

Ziel des Systems ist der Nachweis, dass bei der Herstellung der Betonbauteile und ihrer Ausgangsstoffe/-materialien sowohl Anforderungen an die Nachhaltigkeit eingehalten werden, als auch Hersteller darüber hinaus einen überdurchschnittlichen Beitrag zur Erreichung der nationalen und europäischen Nachhaltigkeitsziele, speziell im ökologischen und sozialen Bereich, leisten.

Die Sustainable Precast-Zertifizierung ist speziell an der Wertschöpfungskette der Betonfertigteilindustrie ausgerichtet und umfasst Zertifizierungen in den drei Kategorien

  • Herstellung von Beton,
  • Herstellung von Betonbauteilen sowie
  • Montage von Betonbauteilen. 

Mit der SPC-Zertifizierung soll insbesondere kleinen und mittelständischen Firmen die Möglichkeit gegeben werden, gegenüber Auftraggebern ihre Leistungen im Bereich Nachhaltigkeit nachzuweisen.

www.sustainable-precast.de

Blauer Engel

Der Blaue Engel ist eine Produktzertifizierung des Bundesumweltministeriums, welches branchenübergreifend angewendet wird. Generell werden mit dem Blauen Engel Produkte gekennzeichnet, die – über die gesetzlichen Bestimmungen hinaus – besondere umweltrelevante Anforderungen erfüllen, also besonders „umweltfreundlich” sind. So soll eine Orientierung beim umweltbewussten Einkauf gegeben werden.

Die Kriterien, die zum Erhalt des Umweltzeichens erfüllt werden müssen (sog. Vergabekriterien), werden vom Umweltbundesamt, dem unabhängigen Beschlussgremium des Blauen Engel (Jury Umweltzeichen) beschlossen. Sie sind je nach Produktbereich sehr unterschiedlich.

Mit den Schwerpunkten Ressourcenschonung und Umweltverträglichkeit gibt es für den Betonbereich bis jetzt den Blauen Engel für Betonwaren mit rezyklierten Gesteinskörnungen für Bodenbeläge im Freien (UZ 216) und seit 2023 den Blauen Engel für Dach- und Formsteine aus Beton (UZ 227).

www.blauer-engel.de 

Cradle to Cradle

Übersetzt heißt „Cradle to Cradle“ (C2C) „Von der Wiege zur Wiege“. Das heißt, Materialien werden in Kreisläufen gehalten und es entsteht kein Abfall. Hierfür müssen Produkte trennbar und schadstofffrei sein.  Für Bauprodukte gilt eine sortenreine Demontierbarkeit und Recyclingfähigkeit. 

Die unter dem C2C-Prinzip hergestellten Produkte schonen Mensch und Umwelt, denn neben weiteren ökologischen Aspekten (z. B. Einsatz von erneuerbaren Energien) werden soziale Aspekte (Arbeitssicherheit, Arbeitsbedingungen, Tarifbindung, etc.) berücksichtigt. 

Vorgesehen sind zwei Kreisläufe: Im biologischen Kreislauf werden Produkte nach der Nutzung in den natürlichen Kreislauf zurückgeführt (z. B. durch Kompostierung). Im technischen Kreislauf werden Produkte nach ihrer Nutzungsdauer als Produkt oder in recycelter Form als Rohstoff für neue Produkte im Wertstoffkreislauf gehalten.

Abhängig von der Bewertung in den einzelnen Kategorien kann ein Produkt auf dem Niveau Basic, Bronze, Silber, Gold oder Platinum zertifiziert werden. 

https://c2certified.org 

Einordnung in Gebäudezertifizierungen

Sieht man die Bauprodukte als kleinste gemeinsame Einheit eines Gebäudes, ist es nur naheliegend, dass einige der oben beschriebenen Produkt- und Unternehmenslabel auch in die Zertifizierungssysteme des Nachhaltigen Bauens Eingang gefunden haben. 

Zu den in Deutschland gängigen Gebäudezertifizierungssystemen gehören 

  • die Zertifizierung des Bundes – BNB, 
  • die Zertifizierung der Deutschen Gesellschaft für nachhaltiges Bauen – DGNB, 
  • das britische Zertifizierungssystem BREEAM,
  • die internationale LEEDs-Zertifizierung.

Die nachfolgende Tabelle gibt einen kurzen Überblick, welche der vorgestellten Systeme bei der Gebäudezertifizierung berücksichtigt werden. 

Fazit

Die Notwendigkeit zur Erhebung und Kommunikation von Umweltinformationen über (Bau-) Produkte und zur Reduzierung deren Auswirkungen auf die Umwelt mit dem gesellschaftlichen Bewusstsein und den politischen Zielsetzungen zur Eindämmung des menschengemachten Klimawandel ist in den vergangenen Jahren stetig gestiegen. Einen Beitrag hierzu können alle hier vorgestellten Systeme leisten: Sie umfassen in unterschiedlicher Ausprägung die detaillierte Erhebung der wesentlichen Stoff- und Energieströme sowie die Analyse der größten Emissionsverursacher und deren Reduktionspotenziale. 

Neben der bloßen Existenz der Zertifizierung und der oben beschriebenen Vorteile einer vertieften Beschäftigung mit den Umweltwirkungen von Produkten und Unternehmensprozessen, sind die so ermittelten Informationen oder berechneten Umweltwirkungen in der Regel als Informationsquelle für verschiedene weitere Anforderungen nutzbar.
 

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